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Window- & VIP-Shopping: „Nur gucken, nicht anfassen“ ist vorbei
Moderne Schaufenster verkaufen cooler als Amazon und genauso edel wie die Luxus-Boutique
Moderne Schaufenster verkaufen cooler als Amazon und genauso edel wie die Luxus-Boutique
Neulich war ich einkaufen. Und bevor Sie jetzt neidisch werden, nein, auch in meiner Stadt ist absoluter Lockdown. Der Handel hat weitgehend zwangsweise geschlossen. Schotten dicht allenthalben. Kein Modellprojekt mit Öffnungen, kein Corona-Test vor Eintritt in das Geschäft, um in den Genuss einer persönlichen Beratung zu kommen. Nein, das alles war es nicht, was mir Shopping möglich machte. Es war der klassische Schaufensterbummel. Ich ging spazieren, mehr oder weniger zufällig durch die Einkaufsstraße. Tristesse war zu spüren. Nur wenige Schaufenster waren wirklich attraktiv gestaltet und luden zum Verweilen ein. Und nur eines animierte wirklich zum Kauf und machte mir das Einkaufen überhaupt möglich. „Window Shopping“ dachte ich. Cool. Ich blieb eine Weile stehen und ließ mich auf die Produkte und Auslagen ein.
„Schaufensterbummel“, das klingt irgendwie altmodisch, nach romantischem Händchenhalten am Abend im Dämmerlicht der Einkaufsstraße im Alter von 17 oder 18 Jahren. Es war eine Zeit zum Träumen, an die ich mich gerne erinnere. Eigentlich, so denke ich, habe ich so einen klassischen Schaufensterbummel schon lange nicht mehr gemacht. Wozu auch? Wenn ich etwas brauche oder Produktinformationen suche, scrolle und swipe ich durch das Angebot von Amazon, Rakuten und all der anderen Online-Shops. Wann war ich eigentlich zuletzt in der Stadt zum Bummeln? Ok, es ist Lockdown. Aber auch sonst. Ich war im letzten Sommer auf der Kö in Düsseldorf, im Herbst in Berlin in den Quartieren der Friedrichstraße, zwischendurch in der Maximilianstraße in München. Wann war ich zuletzt in Hamburg am Jungfernstieg und am Neuen Wall? Was machen eigentlich all die edlen Boutiquen der Luxus-Brands jetzt, die ja noch viel extremer vom persönlichen Markenerlebnis leben, von ihren Shops, ihrer Exklusivität, von der Premium-Beziehung zu den Kunden, die in die Markenwelt hineingezogen werden? „Window Shopping“ denke ich wieder und schaue jetzt noch interessierter in die Auslagen des Schaufensters, vor dem ich gerade stehe.
Ich kenne den Handel. Ich bin vom Fach. Ich weiß, was möglich ist. Warum eigentlich machen das so wenige Händler mit dem Window Shopping? Wenn ich an meine Jugend denke, war um 18 Uhr Ladenschluss. Heute haben selbst kleine Boutiquen oft bis 20 Uhr geöffnet, der Lebensmittelhandel sogar bis 22 Uhr oder noch länger. Warum eigentlich versucht der Handel nicht rund um die Uhr zu verkaufen, so wie die Onliner auch? Und wie lässt sich dieses Markenerlebnis der Edeleinkaufsmeilen lebendig erhalten, generell nach Ladenschluss oder jetzt aktuell im Lockdown? Ist das vielleicht auch ein Grund, weswegen „Schaufensterbummel“ generell irgendwie aus der Mode gekommen sind? Macht man das noch, bummeln? Oder bummelt man nur noch virtuell?
Es geht beides, denke ich nun und checke die technischen Finessen im Schaufenster. Neben einigen Produkten stehen Preisschilder und ein paar Zusatzinformationen, nach denen ich wahrscheinlich in der Tat gefragt hätte, wenn der Laden geöffnet gewesen wäre und ich mich für das Produkt interessieren würde. Ich sehe das Produkt, physisch. Das ist ein Vorteil gegenüber dem reinen Online-Shop, denke ich. Da sehe ich nur Bilder, meist in 2D oder einen kleinen Imagefilm. Aber das echte Produkt, das sehe ich hier, im Schaufenster. Es ist auch schön beleuchtet, gut in Szene gesetzt. Unter dem Text steht der Name des Produktes und ein Link zum Online-Shop des Händlers. Immerhin. Ich bekomme den klaren Hinweis, ich darf jetzt nicht nur gucken, sondern auch bestellen. Das ist mehr als die meisten Geschäfte machen. Die legen die Ware nur aus, um Appetit zu machen. Für später. Hier aber könnte ich jetzt bestellen, sprich kaufen. Aber, so denke ich, ich könnte das ja jetzt auch woanders bestellen. Wäre ein QR-Code nicht besser? Ein QR-Code, der mich direkt auf den Produktlink im Webshop des Händlers führt, wo ich das Produkt, das ich real vor mir sehe, in allen Einzelheiten beschrieben und angepriesen bekomme und wo ich es tatsächlich direkt kaufen kann – bei genau diesem Händler? Und die Informationen, stünden die nicht besser statt auf einem Pappschild auf einem interaktiven Display, das mich aktiv abholt und bei dem ich sogar den Preis oder sich ändernde Produktdetails aus der Ferne steuern könnte, ohne gleich das ganze Schild neu schreiben zu müssen?
Wir sind halt noch sehr analog, denke ich weiter. Ich checke den Händler im Netz. Gute Bewertungen, ganz anständiger Online-Shop, hier und da Kommunikation über Social Media, ein bisschen Facebook, ein bisschen Instagram, ein bisschen Werbung für das eine oder andere Produkt, auch für das, das ich gerade im Schaufenster sehe. Im Schaufenster bekomme ich klare Hinweise auf den Online-Shop des Händlers und auf die Kanäle, auf denen er mit mir zu kommunizieren bereit ist. Er hat auch einen Monitor platziert mit einer Telefonnummer und einem Ansprechpartner. Aber ist das schon digital? Ist das die Antwort auf das fehlende Kundenerlebnis, das Gefühl von Shopping?
„Window Shopping“, denke ich wieder. Es wäre doch schön, wenn ich jetzt hier zumindest virtuell alles erleben und meine Lieblingsmarken spüren könnte. Ich möchte ja nicht nur kaufen, auf Social Media verwiesen werden oder auf den Shop. Ich möchte wirklich shoppen. Jetzt, hier, am Schaufenster, dem Point of Sale des Lockdowns und nach Ladenschluss. Mit ein paar unaufdringlichen Displays, einem QR-Code und einer virtuellen Realität auf meinem Smartphone wäre noch mehr möglich. Ich könnte auch bestellen und mir das Produkt gleich liefern lassen. Oder einen Termin zur Abholung vereinbaren – gerne auch kontaktlos, wenn es denn sein muss. Ein Locker oder eine Abholung an der Tür wäre ja möglich. Die persönliche Komponente wäre gegeben. Und dann könnte ich das Produkt auch berühren, es begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht bringt es mir der Händler auch persönlich vorbei. Auch das ist ja möglich, trotz Lockdowns.
Das ist etwas für die Luxusmarken, für hochpreisige Produkte, denke ich. Es im Schaufenster ansehen, es virtuell erleben, es persönlich übergeben bekommen, das wäre edel. Im Premium-Segment rechnet sich das. VIP-Shopping im Lockdown. Ich muss nicht mehr zum Event, das Event kommt zu mir – aufs Smartphone und bei der Übergabe. Window Shopping kann so vieles, wenn man es richtig macht. Das Schaufenster als 24/7-Verkäufer. Ein Modell auch für nach Corona?
Ich mag es persönlich. Darauf müsste ich auch beim Window Shopping nicht verzichten. Und ich mag es exklusiv. Auch das ist möglich, nicht trotz, sondern gerade wegen oder durch Digitalisierung. Was wäre, wenn ich direkt am Schaufenster zum VIP würde, dem jetzt in diesem Moment alles möglich gemacht würde? Window Shopping, das könnte ein Aspekt der Zukunft sein – besser als online, cooler als Amazon, genauso luxuriös wie ich es aus der Boutique kenne. „Nur gucken, nicht anfassen“, das war gestern. Heute geht alles.
Der Händler, vor dessen Schaufenster ich stehe, macht vieles richtig. Er hat verstanden, dass sein Schaufenster und seine Waren sich selbst verkaufen können. Was noch fehlt, ist das echte Markenerlebnis, der Beziehungsaufbau zum Kunden, ein echtes Window Shopping eben. Er ist auf dem Weg. Und vielleicht folgen ihm andere und gehen noch um einiges weiter. Denn attraktives Window Shopping ist auch eine Antwort auf potenziell sterbende Innenstädte und sich ausbreitende Gleichförmigkeit. Es darf wieder individueller werden. Das wäre gut für den Handel und für die Kunden.
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Matthias Hofmann ist Handelsexperte und als Area Sales Manager DACH beim Digital-Signage-Spezialisten Scala zuständig für die Digitalisierung des Handels.
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